Autor: Friedrich Dürrenmatt
Genre: Kriminalroman
Alter: ab 16 Jahren
Seiten: 192
ISBN: 978-3-257-22535-8
Erstmals erschienen: 1950
Verlag: Diogenes *
Diesmal nehme ich den Krimi “Der Richter und sein Henker” von Friedrich Dürrenmatt unter meine Leselupe. Meine Buchausgabe ist 1955 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen und umfasst 118 Seiten.

Ihm zur Seite steht der Kriminalbeamte Tschanz, der jung und voller Tatendrang, schon bald auf der Spur des Mörders ist. Doch gewisse Dinge weiß nur Bärlach, er teilt seine geheimen Einsichten mit niemanden. Der schrullige Alte verfolgt seinen ganz eigenen Plan, der nicht nur mit der Aufklärung des Mordes zu tun hat.
Erstmals ist der Kriminalroman in der Wochenzeitschrift “Der Schweizerische Beobachter” im Zeitraum von Dezember 1950 bis März 1951 in 8 Folgen erschienen.
Aus Dürrenmatts Geschichte sind im Laufe der Zeit mehrere Filmadaptionen, eine Fernsehserie sowie eine Oper, ein Hörspiel und sogar eine Comicadaption entstanden. In dem Film aus dem Jahr 1975 hat der Autor selbst sogar eine Nebenrolle gespielt.
Mir persönlich hat meine Buchausgabe auch optisch sehr gut gefallen, vor allem wegen der Zeichnungen von Karl Staudinger, die die Stimmungen der Situationen sehr treffend wiedergeben.
Die Geschichte spielt sich in realen Orten in der Schweiz ab, der Mord passiert beispielsweise auf der Strasse nach Twann. Die Gegend wird detailreich beschrieben, sodass ich mir beim Lesen ganz gut vorstellen konnte, wie es dort aussieht, bzw. wie es dort vor 70 Jahren ausgesehen hat. Es handelt sich bei den Schauplätzen um ruhige Gemeinden, und unsere Hauptfiguren kennen sich dort gut aus und führen uns in ihre bevorzugten Restaurants oder auf den Friedhof, wo sie unter anderem auch ihren Ermittlungen nachgehen, oder auch zu ihnen nach Hause. Der ganze Krimi hat etwas Gemächliches an sich und fühlt sich auf angenehme Art und Weise aus unserer geschäftigen Zeit entrückt, Allen voran vermittelt uns dieses Gefühl die Hauptfigur des Kommissär Bärlach.
Der Bärlach ist ein alter, erfahrener Kommissar, dick und schwerfällig von seiner Statur her. Ihn bringt scheinbar nichts aus der Ruhe, dennoch hat er mit schwersten Magenprobleme zu kämpfen. Schon nach den ersten Seiten ist er mir wie eine Bildvorlage zum, deutlich später auf der Bildfläche erschienenen “Columbo” aus der gleichnamigen US-amerikanischen Krimiserie vorgekommen. Der Bärlach stellt sich oft dumm, er gibt sich schwach und krank und alt. Das ist seine Masche, um von seinen Widersachern beziehungsweise den Verdächtigen unterschätzt zu werden und sie zu Fehlern zu verleiten, weil sie sich in Sicherheit wiegen.
Mit diesen Charakterzügen war mir der Bärlach sehr sympathisch, denn trotz seiner vorgetäuschten Schwächen ist er überaus klug und von rascher Auffassungsgabe. Er hat außerdem selbst so manches zu verbergen und eine Vergangenheit, die ihn nach wie vor in ihrem Bann hält und sein Handeln lenkt. Sein momentanes Leben ist, bis auf seine Tätigkeit als Kommissar, unspektakulär und langweilig.
Der Tschanz ist ein junger Kriminalbeamter und bei diesem Mordfall der Helfer des Kommissars. Zu Beginn der Geschichte wirkt er sympathisch, weil er voller Tatendrang ist und den Mord an seinem Kollegen mit allen Mitteln aufzuklären versucht. Etwas später jedoch kommen weniger schöne Züge an ihm zum Vorschein. Er ist aufbrausend, mit sich selbst unzufrieden und sehnt sich nach einem Leben, in dem er am besten gleich ein anderer wäre. Tschanz sieht in der Aufklärung dieses Mordes die Chance, herauszustechen und sich endlich zu behaupten.
Dann gibt es noch den Herrn Gastmann. Ihn lernen wir nicht so richtig kennen, aber er wird uns Lesern als der Bösewicht schlechthin vor Augen geführt. Auf jeden Fall ist er ein mächtiger Mann mit vielen Geheimnissen, der ganz bestimmt kein reines Gewissen haben kann. Wie er in die ganze Geschichte verstrickt ist, löst sich überraschend früh auf, dennoch bleibt es spannend.
Ich fand diesen Krimi sehr gelungen. Obwohl ich beim Lesen zwischendurch immer so meine Vermutungen hatte, wer der Mörder sein könnte, hat sich der Spieß auch oft wieder umgedreht. Im letzten Drittel war es dann schon offensichtlich, wer der Täter war, doch dank Bärlachs Unberechenbarkeit und seiner versteckten Pläne, hat mich auch der Schluss nochmals komplett überrascht.
Ich konnte mir die Figuren sehr gut vorstellen, allerdings hat der Autor kaum Details eingestreut, die nichts mit dem Mordfall zu tun gehabt hätten. Es wird dem Leser nur das präsentiert, was er von einer Person zu wissen hat, um die Geschichte zu verstehen. Bei den Charakteren ist auch immer schnell klar erkennbar, bei wem die Sympathien des Lesers liegen sollen.
Die von Dürrenmatt benutzte Schwarz-Weiß-Malerei ist deutlich zu spüren. Krasse Gegensätze werden einander klar gegenübergestellt, um die jeweiligen Extreme besser wahrzunehmen. Besonders stark kommt diese Vorgehensweise bei Gastmann und Bärlach zum Tragen. Die beiden diskutieren unter anderem über Gesetzestreue und Kriminalität und welche Vorgehensweise der anderen überlegen ist.
Obwohl scheinbar die Rollen klar vergeben sind und Gastmann die kriminelle Seite repräsentiert, während Bärlach für das Gesetz steht, muss sich der Kommissar doch Methoden bedienen, die dem Gesetz und Recht eindeutig widersprechen, um schließlich doch noch für Gerechtigkeit zu sorgen.
In diesem Mordfall wird offensichtlich, dass die Rechtsprechung mit ihrer Forderung nach Beweisen oft hilflos daneben steht, während Verbrecher unerkannt und ohne Strafe ausgehen. Die zweifelhafte Vorgehensweise Bärlachs wirft die Frage auf, ob es so etwas wie absolute Gerechtigkeit überhaupt geben kann.
Ich bin sehr begeistert von der Art, wie diese Thematik im Krimi umgesetzt wurden, nur eine Szene hat mir nicht gefallen. Es handelt sich um das Zusammentreffen von Gastmann und Bärlach in Bärlachs Haus. Es kommt dabei zu einem Gespräch zwischen den beiden, das sich absolut surreal angefühlt hat. Niemand spricht so miteinander. Ihre Unterhaltung soll einzig uns Leser über die Beziehung der beiden zueinander aufklären, über ihren alten Konflikt, was für die kommenden Zusammenhänge auch unerlässlich ist. Aber durch die Verpackung der Fakten in einen Dialog wirkt das ganze gekünstelt, was in dem Buch ansonsten nicht vorkommt und deshalb besonders heraussticht.
Ansonsten fand ich den Schreibstil sehr gut an das Leben der Kriminalbeamten und deren Sicht auf die Dinge angepasst, und es gibt auch etwas poetischere Passagen, wenn z.B. nachdenklich die Landschaft betrachtet wird oder sich jemand Gedanken ums Leben im Allgemeinen macht. Da passt alles wunderbar zusammen, und auch sprachlich war alles gut verständlich.
Mein Fazit:
“Der Richter und sein Henker” ist ein packender Kriminalroman mit exzentrischen Figuren, der es schafft, auch nach der Entlarvung des Täters längst nicht alle Geheimnisse enthüllt zu haben.
Er führt den Leser in eine Zeit zurück, in der sich die Arbeit der Kriminalbeamten gerade in einer Reform befindet. Neue Methoden der Ermittlung werden eingeführt, die jedoch von unserem Kommissar nur belächelt werden. Er glaubt nicht länger daran, Gerechtigkeit über eine gesetzlich korrekte Methode herbeizuführen, sondern setzt der kriminellen Welt seine Persönlichkeit, psychologische Spielchen und andere moralisch fragwürdige Mittel entgegen, um an sein Ziel zu kommen.
Wenn ihr Krimis mit einem schrulligen Kommissar mögt, der richtig ermittelnd keinen Erfolg hat, falsch ermittelnd aber endlich an sein Ziel kommt, dann ist dieses Buch bestimmt etwas für euch!
Link: Kaufen (amazon)

Ich hoffe, meine Rezension war hilfreich und Euch wird das Buch gefallen.
Die Inhalte sind meine persönliche Meinung zu diesem Buch.
Ich habe keine Gegenleistungen für diesen Text erhalten.
Die Links zum Buch findet Ihr oben.
#Buchempfehlung #Rezension #Buchrezension
* Alle Inhalte dieses Buches, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken (Buchcover), sind urheberrechtlich geschützt. Das Urheberrecht liegt, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, beim Verlag [siehe obiger Link zum Verlag].
* Alle Inhalte dieses Buches, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken (Buchcover), sind urheberrechtlich geschützt. Das Urheberrecht liegt, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, beim Verlag [siehe obiger Link zum Verlag].
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Kommentarbereich:
Hinweis: Mit dem Absenden willigst du unserer Datenschutzerklärung & der Datenschutzerklärung von Google und der Speicherung von dir angegebener, personenbezogener Daten zu.