Autor: Robert Schneider
Genre: Roman
Alter: ab 16 Jahren
Seiten: 204
ISBN: 3-379-01518-0
Erstmals erschienen: 1992
Verlag: Verlag *
Heute nehme ich den Roman "Schlafes Bruder" von Robert Schneider unter meine Leselupe. Das Buch ist 1992 mit 204 Seiten im Reclam Verlag Leipzig erschienen.
Mit Johannes Elias Alder wird in dem kleinen vorarlbergerischen Dorf Eschberg zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Kind mit einem außergewöhnlichen musikalischen Talent geboren. Doch von seiner Familie und den anderen Bewohnern abgelehnt, verbringt er eine einsame, traurige Kindheit. Eine unerfüllte Liebe und die Schwierigkeit, sein musikalisches Talent zu entfalten, erlauben ihm nur wenig Glück, und die wirren Verstrickungen des Schicksals nehmen ihren Lauf.
Robert Schneiders Debütroman wurde vor seiner Veröffentlichung von vielen Verlagen abgelehnt, wurde jedoch danach von der in- und ausländischen Literaturkritik über die Maßen gefeiert und schließlich zu einem Stück Weltliteratur. Die Geschichte wurde inzwischen unter anderem verfilmt, als Ballettadaption aufgeführt und für die Oper vertont. Seine späteren Romane haben dem Autor keinen derart großen Erfolg mehr eingebracht.
Die Geschichte spielt in der Zeit von 1803 bis 1825, der Lebenszeit unseres Helden Elias, und wir Leser sind zu Beginn wie auch am Ende des Buches Zeugen dabei, wie der Ort Eschberg Anfang des 20. Jahrhunderts dann endgültig von der Erdoberfläche verschwindet. Der Autor erzählt meist chronologisch, springt aber gelegentlich in der Zeit hin und her oder erklärt dem Leser ganz nebenbei geschichtliche Fakten aus Zeiten, die im eigentlichen Erzählstrang noch gar nicht stattgefunden haben. Die meisten der rheintalischen Ortsnamen sind verballhornt, dabei aber dennoch realen Städten oder Dörfern zuzuordnen, wie z.B. Feldberg, das Feldkirch entspricht.
Die Hauptfigur Johannes Elias Alder, Elias genannt, wird als Sohn des Seff Alder und der Seffin, seiner Frau geboren, ist jedoch das uneheliche Kind des Kuraten Benzer. Schon bei seiner Geburt sorgt seine gläserne, kaum zu ertragende Stimme für Aufregung. Der einzige, der sich von seiner Eigenart nicht abgestoßen fühlt, sondern erst dadurch angezogen wird, ist sein Cousin Peter, der in dieser Geschichte ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen hat.
Ein alles veränderndes Erlebnis in Elias’ Kindheit ist die Begebenheit am wasserverschliffenen Stein, wo sich das Gehör des Elias vervielfacht und er nach Beschreibung des Autors das gesamte Universum hört.
Nachdem Elias beinahe erwachsen ist, zeigt sich, dass er nunmehr positiv zwischen den anderen Eschbergern hervorsticht, sei es durch seinen eleganten, leichtfüßigen Gang, seine wohlklingende Bassstimme, sein relativ gutes Aussehen, sein umfangreiches Wissen oder seine unglaublichen Fähigkeiten als Organist. Eine Zeit lang findet er eine gewisse Erfüllung darin, die in den christlichen Kirchenliedern eingefangene Stimmung durch eine derart ergreifende Musik zum Ausdruck zu bringen, dass die Zuhörer dadurch bis in ihr Innerstes erschüttert werden.
Richtungsweisend in Elias’ Leben ist allerdings seine Liebe zu Elsbeth, seiner Cousine. Eine Liebe, die bereits vor ihrer Geburt begonnen hat, als Elias den Herzschlag des ungeborenen Kindes gehört hat. Sie treibt ihn an und schwingt in seiner Musik mit. Er wünscht sich nichts mehr, als dass Elsbeth seine Frau werden würde. Doch wie bei seiner Musik ist Elias auch in Sachen Liebe sehr kompliziert gestrickt, er agiert zu verhalten, als dass ihn ein einfaches Mädchen wie Elsbeth richtig verstehen könnte. Und so nimmt sein Schicksal eine grausige Wendung.
Elias’ Cousin Peter ist der einzige Freund, den Elias je hat. Er ist durch die grobe Behandlung als Kind schwer verstört, ergötzt sich daran, die Tiere auf seinem Hof zu quälen und mit ihrem Schmerz zu experimentieren. Eine unersättliche Neugier am Leid anderer treibt ihn an, dieses ganz gezielt herbeizurufen.
Er ist ein durch und durch gemeiner Mensch, der niemanden liebt, außer Elias, zu dem er sich auf homophile Art hingezogen fühlt und mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet.
Ironischerweise ist der grausame Peter der einzige Mensch in dieser Geschichte, der sich durch die Geschehnisse positiv verändert, aus dem sogar ein herzensguter Zeitgenosse wird. Alle anderen Personen erleben ihre kurzen, erhellenden Episoden und treiben dann doch ihrem oft grausamen Schicksal entgegen.
In der Geschichte lassen sich viele autobiographisch Elemente erkennen, denn auch Robert Schneider ist in einem Bergdorf in den rheintalischen Alpen aufgewachsen, und Eschberg entspricht dem Dorf Meschach, dem Heimatdorf Schneiders. Er hat Komposition studiert und längere Zeit als Organist gearbeitet. Das erklärt mitunter, wie er es geschafft hat, die klanglichen Erlebnisse seiner Hauptfigur derart tiefgreifend und umfassend zu beschreiben und sein Spiel auf der Orgel so imposant zu erläutern.
In diesem Buch prangert Schneider unglaublich viele Schattenseiten des Menschen an. Von der Inzucht in Eschberg über die neidvollen Gefühle der weniger begabten Musiker bis hin zu der Härte und Lieblosigkeit der Familienclans in dem entlegenen Dorf. Die Engstirnigkeit der Dorfbewohner macht Elias genauso zu schaffen wie die stark begrenzten Möglichkeiten, sein Talent auszuleben.
Auch der katholische Glauben nimmt eine dominante Rolle in dem Buch ein, er bestimmt den Alltag und die Denkweise der Dorfbewohner, und auch Elias ist tief gläubig. Sogar der Erzähler nimmt eine Position ein, in welcher die Existenz von Gott eine unumstrittene Tatsache und sein Einfluss auf das Leben der Menschen nicht zu unterschätzen ist. In manchen Passagen wird uns dieser Gott als mitfühlend und liebevoll vorgestellt, die meiste Zeit jedoch präsentiert er sich als strafender, ewig fordernder und bürdenauferlegender Gott.
Ich denke, der Autor will durch das teils schreckliche Verhalten der Figuren in seiner Geschichte zeigen, dass der Mensch, durch seine Persönlichkeit, seine Vorerfahrungen und seine Umgebung geprägt, nur schwer aus vorgezeichneten Wegen ausbrechen kann und das Leiden deshalb unausweichlich ist, fast, als hätte tatsächlich Gott es so für uns vorgesehen.
Das Buch ist in eher kurz gehaltene Kapitel unterteilt, die es erlauben, einen gewissen Überblick über die Geschichte zu bewahren. Sprachlich ist der Text unglaublich vielfältig, gefüllt mit von mir nie zuvor gelesenen Formulierungen und Satzkompositionen. Schneider schreibt in einer Art Kunstsprache, in der er sich durch die Wortwahl und Ausdrucksart sehr gut an die beschriebene Epoche und die Lebensart der Leute am Land annähert. Viele Wörtern sind Schneiders eigene sprachliche Erfindung, sie dienen meist dazu, um die Groteske in den jeweiligen Situationen noch besser hervorzuheben und zu unterstreichen.
Die Geschichte wird von einem allwissenden Erzähler geschildert, der den Leser teils direkt anspricht, ihn zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen hindurch lotst und sich auch wertend und mit seiner eigenen Meinung zu den Geschehnissen äußert. Das erzeugt eine innige Nähe zum Erzähler, und so nehmen wir gemeinsam mit ihm Anteil am Schicksal des Elias Alder.
Mein Fazit:
Ich habe “Schlafes Bruder” mit großer Begeisterung gelesen, denn die Sprache, in der sich Robert Schneider ausdrückt, ist so vielfältig und poetisch, dass sie mich sofort gefesselt hat. Der Inhalt, der präsentiert wird, ist jedoch voller Dramatik, Schrecken und menschlicher Abgründe. Eine Anklage gegen die Unzulänglichkeiten der Menschheit und gegen Gott selbst und was er für Spiele mit uns treibt. Das ist etwas schwer zu verdauen, und gedanklich für mich noch nicht so ganz einzuordnen.
Jedoch schafft der Autor es, mit Worten so meisterhaft umzugehen und damit Stimmungen und Empfindungen so umfassend auszudrücken, wie es sein Held Elias mit seiner genialen Musik getan hat.
Dieses Buch ist etwas für anspruchsvolle Leser, die nicht davor zurückscheuen, ohne Happy End mit ihren Emotionen zurückgelassen zu werden und wissen wollen, welcher Wahnsinn unseren Helden dazu getrieben hat, dem Thema Schlaf so negativ gegenüber zu stehen.
Viel Spaß beim Selberlesen!
Link: Kaufen (Amazon)

Ich hoffe, meine Rezension war hilfreich und Euch wird das Buch gefallen.
Die Inhalte sind meine persönliche Meinung zu diesem Buch.
Ich habe keine Gegenleistungen für diesen Text erhalten.
Die Links zum Buch findet Ihr oben.
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* Alle Inhalte dieses Buches, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken (Buchcover), sind urheberrechtlich geschützt. Das Urheberrecht liegt, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, beim Verlag [siehe obiger Link zum Verlag].
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