Diktatur statt Freiheit? - Farm der Tiere | George Orwell

Buchtitel: Farm der Tiere
Autor: George Orwell

Genre: Dystopische Fabel
Alter: ab 14 Jahren
Seiten: 132
ISBN: 978-3257201185
Erstmals erschienen: 1945
Verlag: Diogenes *


Leselupe Logo
Diesmal möchte ich mit euch über ein Buch sprechen, von dem ihr vermutlich schon alle mal gehört habt. Mir ist das Buch zufällig in der Bücherei in die Hände gefallen und ich habe mich spontan dazu entschlossen, es, obwohl ich gerade ein angefangenes Buch im Regal stehen habe, sofort zu lesen, weil ich neugierig darauf war, was es mit der Geschichte der Schweine auf sich hat, an die ich mich noch vage aus meiner Schulzeit erinnern konnte. Und ja, es war eine gute Entscheidung, weil dieses 75 Jahre alte Buch gerade topaktuell ist, und zu den Wahlen passt, die in meiner Heimatstadt Wien, aber auch in den USA momentan vor der Tür stehen.
Es geht um “Farm der Tiere” oder im Original “Animal Farm” von George Orwell. Bevor ich mich mit den Hintergründen der Entstehung und mit den darin behandelten Themen beschäftige, und auch klar wird, wieso Orwells Buch, gemeinsam mit seinem Werk “1984”, in den Ostblockländern auf der Liste der verbotenen Bücher stand, möchte ich euch einen kurzen Überblick darüber geben, worum es in dem Buch eigentlich geht.
“Animal Farm” wurde 1945 zum Ende des zweiten Weltkrieges veröffentlicht und erzählt uns in Märchenform die Geschichte der Tiere, die auf der Farm des ständig betrunkenen Bauern Jones leben, und unter seinem ausbeuterischen und unberechenbaren Verhalten leiden. Die intelligentesten Tiere der Farm sind die Schweine. Sie wollen das Joch der Unterdrückung abschütteln und arbeiten ein Denksystem aus, das sie den “Animalismus” nennen, und demzufolge kein Tier einem Menschen dienen sollte.
Als der Leidensdruck besonders groß wird, weil der Bauer in seinem Rausch vergisst, die Tiere zu füttern, kommt es zur Rebellion. Mit den Schweinen als treibende Kraft, schaffen die Tiere es, den Bauern zu vertreiben und die Farm zu übernehmen. Die Tiere jubeln den Schweinen zu und nehmen jede schwere Arbeit in Kauf, weil sie endlich für sich selbst, und nicht mehr für den Bauern Jones arbeiten. Sie legen sich ins Zeug für einen gemeinsame Zukunft in Freiheit, und sind anfangs, trotz aller Anstrengungen sehr glücklich.
Die Schweine übernehmen unterdessen ganz selbstverständlich die Führungsrolle auf der Farm und stellen Regeln auf, nach denen das Zusammenleben ab jetzt funktionieren soll. Die erste und wichtigste Regel ist: “Alle Tiere sind gleich!”. Aber diese eine Zeile ist es auch, die schon bald mehr und mehr untergraben wird, und zwar von den Schweinen selbst. Die Schweine bauen nach und nach eine totalitäre Tyrannei auf, in welcher beschnittene Freiheitsrechte, Spitzelwesen und Sanktionen an der Tagesordnung stehen und eine freie Meinungsäußerung nicht mehr möglich ist.

Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen und ziemlich erschüttert zugeschlagen habe, habe ich mich gefragt, ob es sich bei diesem Vorgang, so wie ihn Orwell in seinem Buch beschreibt, um eine wiederkehrende Methodik handelt, die in den meisten Ländern im historischen Rückblick immer wieder totalitäre Tyranneien hervorgebracht haben. In der Hoffnung auf eine Antwort habe ich versucht, herauszufinden, warum George Orwell diese Geschichte geschrieben hat. Bei meiner Recherche habe ich im Internet das Vorwort, das er zur ukrainischen Übersetzung von “Animal Farm” geschrieben hat, gefunden. Ich verlinke euch dieses Vorwort in der Videobeschreibung, denn es erklärt sehr gut, was George Orwells Antriebkraft für dieses Werk war.

Seine Hauptmotivation war es nämlich, die Wahrheit über den Stalinismus und dessen Entstehung in der UdSSR für die westlichen Länder verständlich zu machen, und das gesamte Märchen kann als Parabel für die Geschichte der Sowjetunion interpretiert werden, wo die vom Volk getragene Februarrevolution von 1917 letztlich in den diktatorischen Stalinismus übergeht. Orwell wollte der Welt verdeutlichen, dass der Realsozialismus, wie er zum Beispiel in der Sowjetunion damals gelebt wurde, mit den marxistischen Grundgedanken kaum noch etwas zu tun hatte.
Er war selbst ein überzeugter internationaler Sozialist, aber absolut kein abgehobener Idealist, sondern durch seine direkten Lebenserfahrungen politisch geprägt worden. Als junger Mann hat er mehrere Jahre lang Polizeidienst in Burma geleistet, was ihn schließlich zu einem energischen Gegner des Imperialismus werden ließ. Die darauffolgenden Jahre verbrachte er in bitterer Armut. Er wurde zum Verfechter des Sozialismus, weil er es schrecklich fand, wie die armen Industriearbeiter von den Reichen unterdrückt und ausgebeutet wurden.

Orwell sah damals in einem demokratischen Sozialismus die perfekte Lösung für die vorherrschenden Probleme und glaubte an diese Grundidee einer Gesellschaftsordnung, die auf Gleichheit und Gerechtigkeit basiert. Mit “Animal Farm” wollte er die Staatsform in der Sowjetunion als falschen Sozialismus entlarven und die Hoffnung wieder dahin lenken, dass, wenn man den marxistischen Idealen treu bliebe, ein wahrer Sozialismus möglich wäre.
In der Zwischenzeit hat uns die Geschichte aber oft genug gezeigt, dass der sozialistische Grundgedanke bisher immer an der Realität gescheitert ist. Wir brauchen nur nach Kuba, China, Bolivien oder Nordkorea zu schauen, oder uns an die DDR und die UdSSR zu erinnern, um zu erkennen, dass die Leute dort nicht unbedingt im Paradies leben und lebten.
Wenn nämlich alle gleich sein sollen, das gleiche leisten und verdienen sollen, dann muß sich so eine Gesellschaft ganz automatisch nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner ausrichten, und wird so insgesamt immer schwächer, was in Armut und Elend endet und nur mit Zwängen, Spitzelwesen und Unfreiheit der Bürger aufrechtzuerhalten ist, denn in Wirklichkeit will keiner in so einem Zustand leben.
Außerdem zeigt uns ja die unglaubliche Vielfalt an Kulturen, Denkweisen und Lebenseinstellungen auf der Erde, dass wir nicht alle gleich sind, und es auch gar nicht sein wollen, und dass wir unser volles Potential nur dann ausschöpfen können, wenn wir die Freiheit haben, individuelle Ideen zu denken und auch zu verwirklichen. Vielleicht ist diese Vorstellung, dass alle Menschen gleich sein sollen, nur eine idealistische Illusion, die dem Wunsch entspringt, dass alle Menschen die gleichen Rechte und Freiheiten haben sollen. Das ist auch ein wunderbarer Ansatz, aber dazu müssen nicht alle gleich gemacht werden, ob auf nationaler oder internationaler Ebene.
Sozialismus führt also von seinen Grundsätzen her immer zu Zwängen und zur Unterdrückung des Bedürfnisses, sich frei zu entfalten und somit zu einem Stagnieren der Weiterentwicklung. Zu diesem Thema kann ich euch eines der Videos von Horst Lüning empfehlen, in dem er diese Grundprinzipien meines Erachtens nach sehr gut verdeutlicht hat. Den Link dazu findet ihr ebenfalls in der Videobeschreibung.

Aber in Orwells “Farm der Tiere” geht es nicht nur um den Sozialismus, sondern um die generelle Problematik, dass politischen Revolutionen letzten Endes nur zu einer Verschiebung der Macht führen, und die Grundstruktur der Gesellschaft aber zumeist dieselbe bleibt.
Was nämlich in Orwells Märchen zunächst von den Schweinen angeprangert wurde, nämlich das ausbeuterische Verhalten des Bauern, der die Tiere als minderwertige Lebewesen ansieht und sich hierarchisch über sie stellt, wird wenig später von den Schweinen in ganz ähnlicher und schlimmer Weise weitergeführt.

Dass Rebellionsanführer im Laufe der Zeit zu den schlimmsten Diktatoren werden, ist leider keine Seltenheit. Um zu verstehen, wieso das so ist, habe ich mich ein wenig schlau gemacht und mir einige Beispiele aus der Geschichte angeschaut. Muammar al-Gaddafi als berühmtes Beispiel, lebte als Kind in einer armen Beduinenfamilie irgendwo in der Wüste in Libyen. Der junge Muammar musste Ziegen hüten, und sein Vater arbeitete als Diener, weil die Beduinen damals als Lybier zweiter Klasse galten. Als 10-jähriger verließ er dann seine Familie, und ein paar Jahre später kehrte er zurück, bejubelt als der Mann, der die Revolution angeführt und sein Volk nach 52 Jahren Herrschaft von König Idris befreit hat.
Es sah damals für die Menschen so aus, als wäre er einer vom Volk, der ihre Interessen ab jetzt wahren würde. Aber das ist nie passiert.
Jahrzehntelang hat er das Land ausgebeutet, riesige Ölvorkommen konfisziert, Konzerne verstaatlicht und unter seiner Gefolgschaft aufgeteilt.
Um nicht gestürzt zu werden, musste er sich schützen. Dazu sperrte er sich in seiner berühmten Hochsicherheits-Festung "Bab al-Aziziya" ein und ließ in seiner Angst vor einer Revolution seine politischen Gegner einsperren und foltern.

Viele Diktatoren, wie z.B. ein österreichischer Postkartenmaler, oder Lenin und Stalin und deren Marionetten Ceausescu und Honecker - wurden zuerste bejubelt und als Retter gepriesen, weil sie Lösungen versprachen (Bejubelung einblenden!), und geendet hat es dann meist auf dieselbe Weise, nämlich in Krieg, Mord, Unterdrückung, und einer derben Enttäuschung der Hoffnungen, die die Menschen in sie gesetzt haben.
Was denkt ihr, warum wiederholen sich solche Gräuel immer wieder? Wieso sind die Leute, wenn es ihnen schlecht geht, immer wieder dazu bereit, dem einen zu glauben, wenn er ihnen eine rosig schöne Zukunft verspricht?

George Orwell kam die Idee mit dem Bauernhof und den Tieren übrigens, als er einen kleinen Jungen beobachtet hat, der ein stämmiges Zugpferd immer wieder geschlagen hat, wenn es nicht gehorchte. Orwell dachte sich, dass, wenn diesem imposanten Tier bewußt würde, wie stark es war, der Junge keine Macht mehr über es haben würde. Wir, das Volk sind genauso wie dieses Zugpferd unglaublich stark, wenn jeder sich selbst für die Dinge einsetzt, die ihm wichtig sind, und diese Verantwortung nicht an höhere Stellen abschiebt. Deshalb denke ich, dass wirkliche Veränderungen nur im Laufe der Zeit stattfinden und außerdem nicht von einer Person oder Partei getragen werden können, die uns das blaue vom Himmel verspricht, danach jedoch nur ihre eigenen Interessen verfolgt.
Was ich aus Orwells Buch gelernt habe ist, dass wir es selbst in die Hand nehmen müssen, wenn wir unsere Situation verbessern wollen und die Verantwortung dafür nicht an irgendjemand anders abgeben sollten. Als Vorbild fällt mir dazu eine Rosa Parks ein, die nicht länger dazu bereit war, die Ungerechtigkeiten den Schwarzen gegenüber zu ertragen und im Bus sitzen geblieben ist. Auch wenn sie einen steinigen Weg gegangen ist, hat sie es doch geschafft, eine Verbesserung zu bewirken.
Wer weiß, vielleicht hätte Orwells Buch ja ein ganz anderes Ende genommen, wenn die Tiere der Farm sich nicht darauf verlassen hätten, dass die superklugen Schweine schon alles richten werden, sondern sich selbst um ihre Interessen gekümmert hätten!
Meiner Meinung nach ist die “Farm der Tiere” ein sehr wertvolles Buch. Wenn ihr euch für den Sozialismus und die Gesichte der Sowjetunion interessiert, könnt ihr euch beim Lesen den Artikel durchsehen, den ich euch dazu unten verlinke, denn dort ist genau aufgelistet, welches Tier welcher realen Person in der ehemaligen Sowjetunion entspricht und welches historische Ereignis den unterschiedlichen Szenen zugeordnet werden kann.
Aber auch wenn euch das Thema Sozialismus gar nicht so interessiert, ist die Geschichte der Tiere unglaublich ergreifend, wie sie sich die größten Hoffnungen auf Freiheit und eine schöne Zukunft machen, und sich dann unversehens in der nächsten Unterdrückung wiederfinden.
Und ich befürchte ja, dass alle netten Politiker, die sich zu Beginn vielleicht noch wirklich dafür interessieren, wie es uns geht, bei ausreichend großer Macht das Schwein in sich entdecken.
Denn ein Sprichwort besagt schon: “Die Sau am Trog, sie frisst!”
Ich bezweifle nämlich sehr, dass so mancher Politiker, der vor meiner Haustüre draußen schön auf dem Wahlplakat grinst, wirklich als einziges Ziel unser Wohl vor Augen hat.

Deshalb wünsche ich euch viel Erfolg beim Hinterfragen der vielen Wahlversprechen.

Viel Spaß beim Selberlesen!

Link: Kaufen (amazon)

Leselupe Profil
Geschrieben von Susanne!

Ich hoffe, meine Inhalte sind hilfreich und Euch wird das Buch gefallen.
Die Inhalte zu Büchern sind meine persönliche Meinung.
Ich habe keine Gegenleistungen für diesen Text erhalten.





* Alle Inhalte dieses Buches, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken (Buchcover), sind urheberrechtlich geschützt. Das Urheberrecht liegt, soweit nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet, beim Verlag [siehe obiger Link zum Verlag].

Kommentare